Lesereise Kulinarium Skandinavien by Dorothea Löcker Alexander Potyka (Hg.)

Lesereise Kulinarium Skandinavien by Dorothea Löcker Alexander Potyka (Hg.)

Autor:Dorothea Löcker, Alexander Potyka (Hg.)
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
veröffentlicht: 2014-12-28T05:00:00+00:00


Hart am Bier

Auf der Durststrecke von Tuborg

12.17 Uhr. Der sehr zuvorkommende, sehr breit lächelnde und sehr braun gebrannte Herr hinter dem erhöhten Tresen begrüßt uns mit so ausgesuchter Freundlichkeit, dass wir sie sofort persönlich nehmen. Fünfzig Frauen und Männer, aus Schweden, Frankreich, Dänemark, Finnland, Italien und Deutschland warten schon in der Halle des Besucherzentrums von Tuborg. Sie sitzen auf Bänken und auf dem Boden, unterhalten sich leise und studieren die Tuborg-Broschüre, die der Braungebrannte allen Neuankömmlingen in die Hände drückt. Und alle, alle haben Durst.

12.25 Uhr. Immer mehr Menschen drängen zur Tür herein. Ob in Anoraks, getüpfelten Blusen, Leinenjacketts, Sommerhemden, T-Shirts, ob barfuß in Sandalen oder mit Socken in Wildlederslippern – Grüßaugust heißt alle mit unterschiedsloser Freundlichkeit willkommen. Und alle nehmen sie die höchst persönlich. Und alle freuen sich auf Bier.

12.27 Uhr. Ein großes Schild weist auf die Toiletten im Keller hin. Sie sind sehr sauber, doch enttäuschend klein und alt. Und wir hatten doch nicht weniger als marmorne Hallen erwartet.

12.30 Uhr. Die Halle ist voll. Alle Skandinavier werden aufgerufen und wandern durch ein Drehkreuz und eine dahinterliegende Tür ab. Wir anderen bleiben und warten. Uns wird man, das haben wir gleich zu Beginn erfahren, in Englisch unterweisen. »Sie verstehen das sicher fantastisch«, hatte der Braungebrannte geschmeichelt. Niemand verstand nicht fantastisch.

12.33 Uhr. Am Tresen entsteht Bewegung. Ein Herr im dunkelblauen Blazer, dem ehemaligen Reichspräsidenten Ebert aus dem Gesicht geschnitten, tritt auf, im Gefolge eine blonde junge Frau, deren Blässe ganz wunderbar mit ihrer grau-schwarz gestreiften Bluse kontrastiert. An uns, ihrer vielköpfigen Herde, sind beide heftig desinteressiert. Wen werden wir abbekommen?

12.36 Uhr. Beide. Der Herr wie Ebert – Peder heißt er, wir hören es nebenbei – öffnet das Drehkreuz, die junge Dame sagt »Avanti« und hat damit die italienischen Herzen bereits erobert. Vierundsechzig sind wir, mehrere Sprachen, Einzelgänger und Familien, viele Jungmänner unter uns: Australian guys, English lads, boys from Wisconsin, USA. Heading for the beer? Let’s go.

12.38 Uhr. Die blonde Frau heißt Elisabeth. Sie wird uns während des Rundgangs das Wissen vermitteln, dessen Erwerb Tuborgs PR-Manager vor das Trinken von Freibier gesetzt haben. Herr Peder geht ganz am Schluss. Er hört Elisabeth aufmerksam zu und macht sich Notizen auf einem Block.

12.45 Uhr. Ein dunkler Flur. Im Stehen lassen wir ein paar Dias über die Geschichte Tuborgs über uns hinweggehen. 1873 gegründet. Export in über hundert Länder. Fusion mit Carlsberg. Mehr bleibt nicht haften und das erwartet auch niemand. Auch mit den Geheimnissen des Bierbrauens belästigt uns Elisabeth nicht lange. Großzügig erspart sie uns die englischen Versionen von Weichbottich, Keimkasten, Malzdarre, Malzmühle – wozu haben wir schließlich die Broschüre? Hier geht es nicht um Bierbrauen. Hier geht es den Tuborg-Leuten um Tuborg. Uns geht es um Freibier. Dafür nehmen wir davor einiges in Kauf, Elisabeth weiß das. »Die Treber, den festen Rückstand des Malzes, die verkaufen wir an die Bauern. Die füttern damit ihre Kühe. Die geben dann viel Milch, die trinken die Dänen, sie wachsen heran und werden groß und stark und trinken dann viel Bier. Tuborg-Bier.« Sieh da. Elisabeth, Elisabeth.



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